Eskapismus

Wie ziemlich vielen Menschen, mit denen ich spreche, bin ich derzeit manchmal einfach niedergeschlagen. Es ist einfach zu viel, was von außen auf uns einströmt, und auf so viele dieser Dinge haben wir selbst keinen oder nur sehr wenig Einfluss. Eine große gefühlte Hilflosigkeit macht sich breit, gelegentliche Anflüge von Angst mit Blick auf das, was der Klimawandel, der Krieg und die Veränderungen der Gesellschaft durch die Radikalisierung gewisser Bevölkerungsgruppen so mit sich bringen werden.

Gleichzeitig aber das große Gefühl, es ja eigentlich gut zu haben. Wir leiden keinen Hunger, die Heizung funktioniert noch, ich muss mein Zuhause nicht verlassen, meiner Familie geht es gut. Wir spenden, um etwas weiterzugeben und geben unser bestes, unsere Kinder zu empathischen und liebevollen Menschen zu erziehen.

Trotzdem ist es manchmal schwer. Auch, wenn es mir objektiv gut geht, kann ich manchmal die Nachrichten nicht ertragen. All das Leid, so viel Ignoranz und Egoismus… wie soll ich da positiv in die Zukunft schauen?

Also habe ich eine Strategie: Ich informiere mich morgens und abends. Dabei lese ich verschiedene Quellen, auch internationale, um verschiedene Blickwinkel zu bekommen. Aber dazwischen verschließe ich etwas die Augen vor alldem und versuche, kein schlechtes Gewissen zu haben. Ich helfe, wo ich kann und mehr kann ich nicht tun. Ist den Menschen in der Ukraine oder in Afrika geholfen, wenn ich den ganzen Tag Nachrichten lese und grüble? Hilft es den trauernden Eltern, wenn ich mir intensiv vorstelle, wie sie sich fühlen? Nicht wirklich.

Teil dieser Strategie ist es, dass ich mir eine App zum Lesen von eBooks aufs Handy gemacht habe, da gibt es ja eine große Auswahl (probiert mal die Onleihe!). In Situationen, in denen ich sonst Nachrichten o.ä. konsumiert hätte, lese ich jetzt also ein Buch: Im Wartezimmer, beim Warten aufs Kind, auf dem Klo. 😉

Ich wähle mir aber die Bücher ganz strategisch aus: Nichts Trauriges, nichts Negatives, nichts, was mich belastet. Das ist natürlich nicht unbedingt immer leicht zu finden, denn Buchtitel und Klappentexte sagen nicht immer, ob nicht doch ein tragischer Tod oder eine Diskussion zu Mord und Totschlag darin vorkommt. Nachdem ich da einige Bücher ausprobiert und abgebrochen habe, bin ich auf Storygraph gestoßen, ein unabhängiges Bücher- und Leseportal (ähnlich wie Goodreads, gehört halt nur nicht dem großen lächelnden A). Hier kann man die Rezensionen und Einschätzungen anderer Lesender einsehen und unter anderem die Stimmung der Bücher vorab herausfinden, sehr praktisch! Ich habe schon einige sehr interessante Bücher da gefunden und selbst auch Bewertungen eingetragen. Außerdem gibt es Lese-Challenges, die vielleicht etwas animieren, mal etwas Neues zu probieren oder gemeinsam zu lesen und zu diskutieren. Und es gibt Statistiken! Mit Kreisdiagrammen und so! Die sind super.

Ich fasse zusammen: Lesen als Eskapismus. So alt wie Bücher selbst, und doch für mich in diesem Jahr auf neue Art entdeckt. 🙂

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